Traumafolgestörungen

Wenn traumatische Erlebnisse zu Leiden führen

Traumatische Erfahrungen (etwa Vergewaltigungen, sexueller Missbrauch, Gewalterfahrungen, Folter, schwere Unfälle, Kriegserlebnisse, durch Naturereignisse verursachte Katastrophen oder traumatisch erlebte medizinische Behandlungen) können – je nach dem Alter, in dem sie erlitten werden, der Intensität, der Dauer und der Art des Erlebnisses zu schweren Krankheitssymptomen führen, die oft verzögert auftreten.


Wir unterscheiden dabei folgende Arten von Traumafolgestörungen:

1. „Einfache“ posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), meist durch ein oder wenige Ereignisse im Erwachsenenalter ausgelöst.

Charakteristisch hierfür sind sich aufdrängende Erinnerungen (Intrusionen) bis hin zu einem Wiedererleben des Traumas in der Erinnerung (flash-back) und Alpträume. Es können sich Gefühle einstellen, wie betäubt, scheinbar gleichgültig zu sein und/oder es entwickelt sich eine innere Anspannung mit übermäßiger Schreckhaftigkeit und Ängstlichkeit. Meist wird alles vermieden, was irgendwie an das Trauma erinnert, da dadurch ein Wiedererleben mit unerträglichen Gefühlen von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Panik ausgelöst werden kann (Triggerreize).


2. PTBS mit zusätzlicher, sogenannter traumakompensatorischer Symptomatik

In Form von Angsterkrankungen, Depressionen, Abhängigkeitserkrankungen, Zwangssymptomen oder körperlichen Beschwerden mit psychischem Hintergrund (Somatisierungen).


3. PTBS mit zusätzlicher persönlichkeitsprägender Symptomatik

In Form von emotionaler Instabilität (siehe „Borderline“-Symptomatik), Bindungs- bzw. Beziehungsstörungen, einem veränderten, negativen Selbst- und Weltbild oder leichterer dissoziativer Symptomatik.

Erfolgt das traumatische Erleben, womöglich über einen längeren Zeitraum während der Reifungsphase des Gehirns, d.h. im Kindes- oder Jugendalter, so kann das die Persönlichkeit nachhaltig prägen.
Dies betrifft v.a. die sich entwickelnde Fähigkeit, vertrauensvolle Bindungen aufzubauen und auf diesem Hintergrund ein positives Bild von sich und der Welt zu erschaffen. Wird dies nachhaltig gestört, können sich Misstrauen, Angst vor Nähe bei gleichzeitiger Sehnsucht danach, Selbstabwertungen bis hin zum Selbsthass und eine resignativ-verbitterte Grundhaltung entwickeln. Sozialer Rückzug, fehlendes Selbstvertrauen und fehlende Gefühle von angenommen werden führen dann oft zu weiteren enttäuschenden Beziehungserlebnissen und setzen eine Negativspirale in Gang.


4. PTBS mit dissoziativer Symptomatik

Während traumatischer Erlebnisse neigen v.a. Kinder, aber auch Erwachsene dazu, zu dissoziieren. Bei häufigen traumatischen Erlebnissen verselbstständigen sich diese dissoziativen Symptome und treten auch außerhalb traumatischer Ereignisse auf. Das Geschehen wird dann z.B. „wie von außen“ gesehen, man erlebt den eigenen Körper nicht mehr als zu sich gehörig. Es können Entfremdungsgefühle gegenüber der Umwelt (Derealisation) oder sich selbst gegenüber (Depersonalisation) auftreten. Traumatische Erlebnisse sind nicht selten nicht erinnerbar (Amnesie), können aber bei bestimmten, die Erinnerung aktivierenden „Triggerreizen“ plötzlich überflutend wieder erinnert werden. Wiedererinnerungen können zu „Erstarrungen“ (Stupor) oder heftigen emotionalen Reaktionen führen. Auch neurologische Symptome wie Lähmungen, Missempfindungen oder Anfälle können vorübergehend auftreten.

Die schwerste dissoziative Störung, die fast immer Folge schwerer, langfristiger Traumatisierungen bereits in der Kindheit ist, ist die sogenannte dissoziative Identitätsstörung oder multiple Persönlichkeit. Es kommt dabei zu einer Aufspaltung in verschiedene Persönlichkeitsanteile, die ein unterschiedliches Erleben und Handeln aufweisen. Bei voll ausgeprägtem Krankheitsbild tritt meist eine Alltagspersönlichkeit in Kontakt mit der Umgebung, zeitweise übernehmen aber andere Persönlichkeitsanteile diese Aufgabe. Für das Handeln und Erleben dieser Persönlichkeitsanteile besteht häufig keine Erinnerung.


Wege zur Überwindung von Traumafolgestörungen

Es geht zunächst darum, das erschütterte Vertrauen in sich und die Umwelt langsam wieder aufzubauen, innere Sicherheit zu gewinnen und eigene Stärken und Ressourcen wieder zu entdecken. Vordringliches Ziel ist es dabei, Bewältigungsmechanismen für sich aufdrängende Erinnerungen an das Trauma zu entwickeln und dadurch auch Gefühle von Ohnmacht und Ausgeliefertsein zu reduzieren. Eine ausführliche Information über Traumafolgestörungen und die Reflexion der eigenen Symptomatik hilft dabei, sich selbst besser zu verstehen, Ängste abzubauen und die einzelnen therapeutischen Schritte annehmen zu können.

Bei zusätzlicher traumakompensatorischer Symptomatik ist es notwendig, die jeweilige Symptomatik (z.B. Abhängigkeitserkrankung, Depression, Ängste, Zwangssymptome) entweder als Erstes oder parallel zu stabilisierenden Maßnahmen bzgl. des Traumas anzugehen.

Im Fall einer persönlichkeitsakzentuierenden Symptomatik als Traumafolgestörung gilt es, schrittweise wieder Vertrauen zu anderen Menschen zu entwickeln, das negative Selbstbild zu korrigieren und Ressourcen auszubauen. Bei starken Störungen im Bereich der Gefühls- und Impulssteuerung müssen diese zunächst therapeutisch bearbeitet werden.

Bei der dissoziativen Identitätsstörung ist ein komplexes therapeutisches Vorgehen notwendig, bei dem die Information über das Krankheitsbild, die Krankheitsakzeptanz, die Stärkung der „Alltagspersönlichkeit“, die vorsichtige Eruierung des Persönlichkeitssystems und die Verbesserung der Kommunikation innerhalb dieses Systems im Vordergrund stehen. Hier ist eine langfristige Behandlung, oft mit Wechseln zwischen ambulanter und stationärer Behandlung meist nicht zu umgehen.

Bei allen Traumafolgestörungen muss geprüft werden, ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, sich dem Trauma mit schützenden Techniken noch einmal zu nähern, um es verarbeiten zu können. Dafür ist eine ausreichende Stabilität in unterschiedlichen Bereichen notwendig, die oft erst einmal erarbeitet werden muss.